In München muss für jede neu gebaute Wohnung ein Stellplatz geschaffen werden. So sieht es jedenfalls eine Satzung der Stadt München vor.
Und jeder neu erstellte Parkplatz erhöht die Baukosten, belastet die Umwelt und behindert die Verkehrswende. Ist diese Satzung in Zeiten von Wohnungsnot und Klimawandel noch zeitgemäß?
Über Stellplatzschlüssel, verändertes Mobilitätsverhalten, Quartiersgaragen und die Mobilitätsplanung in der Eggarten-Siedlung sprechen wir mit Christian Stupka von der GIMA, der in diesem Modellquartier für die Mobilitätsplanung und die Charta mitverantwortlich ist.
Stellplatzschlüssel 1 bedeutet pro Wohnung ein Parkplatz. In der Eggarten-Siedlung ist ein Stellplatzschlüssel von 0,6 für Wohnen geplant. Ist das laut Satzung in München überhaupt erlaubt?
Das ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Die Stadt möchte Stellplätze reduzieren, das ist ein wichtiger Baustein für die Verkehrswende. Die Satzung der Landeshauptstadt eröffnet Bauherren viele Möglichkeiten, vom Stellplatzschlüssel 1 deutlich nach unten abzuweichen.
Wir haben in der Eggarten-Siedlung einen kreativen Ansatz gewählt und ein Mobilitätkonzept erstellt, das es ermöglicht, den Stellplatzschlüssel fast zu halbieren. Das macht für zukünftigen Bewohner*innen den eigenen PKW entbehrlich. Dazu gehören natürlich auch alternative Angebote, gute Radwege und eine funktionierende ÖPNV- Anbindung. Hier ist auch die Stadt München gefordert.
Ein Novum in München ist, dass sich alle Bauherren der Eggarten-Siedlung dazu verpflichtet haben, für jeden eingesparten Stellplatz 5.000 € in einen Mobilitätstopf einzuzahlen, um das Mobilitätskonzept mitzufinanzieren.
In der Eggarten-Siedlung sind keine Tiefgaragen geplant, sondern dezentrale Quartiersgaragen. Warum?
Die Quartiersgaragen bewirken in der Eggarten-Siedlung dreierlei: Erstens sparen wir die Unterkellerung der Wohnhöfe und können so den dortigen Baumbestand erhalten. Zweitens vermeiden wir erhebliche CO2-Kosten, die beim Bau und Betrieb von Tiefgaragen entstehen. Im Durchschnitt rechnet man mit einer Erzeugung von sechs Tonnen C02 pro Tiefgaragenstellplatz. Quartiersgaragen können auch kombiniert genutzt werden. Nachts belegen die Anwohner*innen den Platz, tagsüber können beispielsweise Besucher*innen des Quartiers, Lehrer*innen von Schulen oder anderen Arbeitsplätzen oder Menschen von außerhalb, die zum Einkaufen kommen, dort parken. Ein gutes Beispiel ist eine große Wohnanlage in der Welfenstraße, wo die Mischnutzung mit Supermarkt und Büros hervorragend funktioniert.
Der Bau eines Stellplatzes kostet zwischen 25.000 und 50.000 €. Ist die Senkung des Stellplatzschlüssels ein spürbarer Hebel, um die stetig steigenden Baukosten zu senken?
Auf jeden Fall. Die Baukosten und damit auch die Kosten für Tiefgaragen sind sprunghaft angestiegen und verteuern natürlich das Wohnen. Auf allen Ebenen wird darüber nachgedacht, wie man den klassischen Stellplatzschlüssel senken kann. Wichtig erscheint mir, dass die Bauträger einen Teil der ersparten Stellplatzkosten in einen Topf einzahlen, aus dem vor Ort alternative Mobilitätsangebote finanziert werden. Das macht für viele das Wohnen attraktiver und trägt zur Mobilitätswende in München bei.
Die Eggarten-Siedlung liegt nicht im Stadtzentrum, die öffentliche Verkehrsanbindung ist nicht die beste. Kann ich als zukünftige*r Eggarten-Bewohner*in auf mein Auto verzichten, ohne erhebliche Flexibilität zu verlieren?
Die Erfahrungen mit dem Domagk-Park oder dem Prinz-Eugen-Park – beide nicht zentrumsnah – zeigen, dass eine alternative Mobilitätswende gelingen kann. Wesentlich ist aber, dass leistungsfähige Bus- oder Tramverbindungen sowie S- und U-Bahnstationen in der Nähe sind. Und zwischen diesen und der eigenen Wohnung muss wiederum die sogenannte letzte Meile zur Station gut zu bewältigen sein, d.h. verfügbare Sharing-Angebote und gute Rad- und Fußwege sind elementar. Wie schon zuvor erwähnt ist an dieser Stelle auch die LHM München gefordert durch schnelle und effektive Maßnahmen unsere Bemühungen alternativer Mobilitätsangebote zu unterstützen.
1Kosten-Nutzen-Analyse zu Mobilitätskonzepten (ab S. 56)
SZ-Artikel: Tiefgaragen sind des Teufels